VOR DER SPERRE


VOR DER SPERRE_Trailer from Bernd Schoch on Vimeo.

Für gewönlich sind Making-Ofs Teil des Spiels, das ein Spielfilm in Bewegung setzt. Sie flankieren es und stecken seinen Bereich erneut ab, indem sie das Außen der fiktionalen Bilder markieren. Bernd Schochs VOR DER SPERRE dagegen ist Erweiterung dieses Spiels und seine Reflexion, Paratext zu Peter Otts DAS MILAN PROTOKOLL und eigenständiges dokumentarisches Werk, das sich von diesem löst, um in gleichem Setting anderen Fragestellungen nachzugehen.

Was ein Making-Of ist, verhandelt VOR DER SPERRE in den ersten 20 Minuten: Einem Schwenk über ein Straßen-Set folgt ein Schwenk über die Streben und Verschraubungen seiner Rückseite. Ein Übersetzer übermittelt die Ideen des Regisseurs an die Darstellerin. Die Hand des Regisseurs hält einen Stift, von dort gleitet die Kamera über ein Storyboard zu einem Drehbuch zu Entwürfen der Sets. Film ist etwas Gemachtes, in kleinteiligen Schritten konstruiertes, das der Regisseur dann - in einer aufschlussreichen Szene des Films - als Geschichte seiner Tochter zusammenfasst. Wie er den Film ganz kurz beschreiben würde, fragt diese. Ott: "Eine deutsche Ärztin wird im Irak entführt und dann gibt's Kuddelmuddel".

Mit einem Schnitt sind wir im Nordirak und das Halbfertige, im Bau befindliche der ersten 20 Minuten trifft auf das Baufällige einer vom Krieg gezeichneten Gegend. Langsam aber sicher rutscht der Dreh von DAS MILAN PROTOKOLL aus dem Zentrum dieses Films, schweift Schochs Film ab, geht alleine los, schaut sich um, in Straßen und auf Märkten, um immer wieder zum Dreh des Spielfilms zurückzukehren. Schoch nimmt eine Position des Dazwischen ein: Natürlich Teil des Drehteams aus Deutschland, aber doch auch ein Subjekt, das in einer ambivalenten Situation (einmal wird für eine Szene des Spielfilms ein Gebäude mit Fahnen des IS behängt) mit der Kamera einen Standpunkt finden muss, und sich manchmal mit einheimischen Kindern aus der Distanz auf die Dreharbeiten blickend wiederfindet. Am Ende ist VOR DER SPERRE nicht so sehr ein Bericht von den Dreharbeiten zu DAS MILAN PROTOKOLL und eher ein Film von einem, der in den Nordirak kommt und versteht, dass er nur Teil einer Landschaft ist, die - in ihrer räumlichen Ausbreitung, zeitlichen Schichtung und als Speicher von Erlebtem - größer ist als er selbst und jeder Film, den man dort drehen könnte.
(Alejandro Bachmann)

HD, 83Min, OmdtU

Regie,Kamera,Schnitt: Bernd Schoch
Musik, Tonbearbeitung: Michael Beckett
Produktion: Bernd Schoch, Peter Ott, mitosfilm

Das Milan Protokoll
mitos film